Der Kanton Genf gilt als Hochburg der Schweizer Grünen. Der starke Rückgang der Partei bei den vergangenen kantonalen Wahlen kam unerwartet. Die Grünen tragen die Verluste der Linken praktisch alleine und verlieren eventuell sogar ihre beiden Sitze im Staatsrat. Ist das Ergebnis ein Einzelereignis, welches als Genfer Spezialität zu betrachten ist oder läuten sie eine Trendwende ein? Wir gehen dem im Folgenden nach und nennen die Erklärungen, die Politikwissenschaftler für das schlechte Abschneiden der Grünen Partei in Genf haben.
von Sarah Bütikofer
Die Linke hat in der seit jeher turbulenten Genfer Politik eine lange Tradition. Bei den jüngsten kantonalen Wahlen haben sich die kleinen, alternativen Linksparteien auf eine gemeinsame Liste einigen können und den Einzug ins Parlament geschafft. Der Rückgang der Grünen in Genf lässt sich damit aber nicht vollständig erklären, stellt Daniel Bochsler vom Zentrum für Demokratie in Aarau klar. Auch Pascal Sciarini, Professor für Politikwissenschaft an der Universität Genf, ortet die herben Verluste der Grünen nicht in der Konkurrenz durch ähnlich positionierte Parteien. Er geht zwar davon aus, dass die Grünliberalen, die in Genf erstmals zu den Parlamentswahlen angetreten sind, auch von früheren Wählern der Grünen unterstützt wurden, aber das Resultat der GLP mache den Verlust der Grünen nicht wett.

Mit Mister Right zurück auf den grünen Zweig?
Quelle: Les Verts Genevois
Das Problem liegt woanders
Die linken Parteien in der Schweiz haben alle ein sehr ähnliches Wählersegment. So ist auch die Wählerschaft der Grünen eher weiblich, besser ausgebildet, inzwischen auch besser verdienend, meist jünger als der Durchschnitt und häufiger in städtischen Gebieten zu Hause (Vatter und Stadelmann-Steffen 2008). Im Gegensatz zur SP kann sich die grüne Partei aber nicht auf eine über Generationen gefestigte Wählerbasis verlassen (Bochsler und Sciarini 2010).
Ungebundene Wählerschaft
“Für die Grünen bleibt vor allem der Teil der ungebundenen linken Wählerschaft übrig.“, erklärt Daniel Bochsler. Dies hängt auch mit der bewegten Geschichte der Schweizer Grünen zusammen. In ihren Anfängen verstanden sich die Grünen als Teil der international aufkommenden neuen sozialen Bewegungen (Dolezal 2008). Entsprechend ihrem breiten Fokus auf unterschiedlichste Interessen wollten sie sich einer Verortung auf der Links-Rechts-Achse entziehen. Doch mit dem zunehmenden Erfolg bei Wahlen und dem Gewinn von immer mehr Parlamentsmandaten mussten die Grünen ihre Position klären und diese lag eindeutig auf der linken Seite (Nicolet und Sciarini 2010). Ihr Elektorat wurde zunehmend homogener, doch die Partei hatte weiter mit inneren Auseinandersetzungen zu kämpfen. Viele ihrer Probleme sind aber keine Eigenheit der Schweizer Grünen. Die Gegensätze zwischen gemässigten und radikalen Strömungen prägen auch die Entwicklung der Grünen Parteien im europäischen Umfeld (Dolezal 2008).
Vorreiterrolle der GPS
Innerhalb von Europa nahmen die Schweizer Grünen eine Vorreiterrolle ein (Dolezal 2008). Bereits 1979 eroberten sie zum ersten Mal einen Sitz im Nationalrat und steigerten sich von Wahl zu Wahl. Der Wähleranteil der Schweizer Grünen liegt deutlich über dem europäischen Mittel. Heute sind sie in neun Kantonen in die Regierungsverantwortung eingebunden und regieren auch auf kommunaler Ebene an vielen Orten mit. Dolezal beurteilt die Regierungsbeteiligungen der Grünen insgesamt als positiv, da sie dadurch ihre Sachkompetenz und das Profil ihrer Spitzenpolitiker verbessern konnten (Dolezal 2008).
Zugeständnisse durch Regierungsverantwortung
Allerdings ist eine kleine Partei in einer Konsensregierung zu programmatischen Eingeständnissen gezwungen. Möglicherweise wurde dies in Genf zum Bumerang. „Offensichtlich wurde die Regierungsleistung der bisherigen Grünen Staatsrätin Michèle Künzler auch von den linken Wählern alles andere als honoriert“, ist Daniel Bochsler überzeugt. Pascal Sciarini führt aus, dass es sich die Grünen in der Romandie bisher erlauben konnten, auf zwei Hochzeiten zu tanzen. In der Regierung traten ihre Exekutivpolitiker moderater auf als ihre Parlamentsabgeordneten, die klar linke Positionen vertraten. Dies sind nicht die einfachsten Bedingungen um Wählerinnen und Wähler zu mobilisieren.
Warnschuss aus Genf
Die Grüne Partei konnte sich in der Vergangenheit zu einer ernstzunehmenden Kraft entwickeln. Sie brachte die Ökologie erfolgreich auf die politische Agenda. Zur Halbzeit der eidgenössischen Legislatur muss der Warnschuss aus Genf den Grünen zu denken geben. Damit sie zwischen der SP und anderen Linksparteien, die ähnliche Werte vertreten sowie den Grünliberalen, welche sich als wirtschaftsfreundliche ökologische Alternative anpreien, weiter erfolgreich bestehen kann, muss es der Partei und ihren Exponenten wieder gelingen, den Wählerinnen und Wählern zu vermitteln, was ihre Kernbotschaft und ihre Daseinsberechtigung ist.
Zur Autorin: Sarah Bütikofer (@SarahButikofer) ist promovierte Politikwissenschaftlerin mit den Schwerpunkten Schweizer Politik und Parlamentsforschung. Sie arbeitet als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Universität Zürich, ist Lehrbeauftrage an verschiedenen Hochschulen der Schweiz und betätigt sich als freie Wissenschaftsjournalistin zu politik- und sozialwissenschaftlichen Themen.
Quellen:
Bochsler, Daniel und Pascal Sciarini (2010). „So close but so far: party utility and party choice for left-wing parties in the Swiss national elections 2003-2007.“, in: Swiss Political Science Review, 16(3): 373-402.
Dolezal, Martin (2008). „Kein Sonderfall. Die Schweizer Grünen im europäischen Vergleich.“, in: Baer, Matthias und Werner Seitz. Die Grünen in der Schweiz. Ihre Politik, ihre Geschichte, ihre Basis. Zürich/Chur: Rüegger Verlag: 141-157.
Nicolet, Sarah und Pascal Sciarini (2010). Le déstin électroale de la gauche. Le vote socialiste et vert en Suisse. Chêne-Bourg, George Editeur: 9-44.
Vatter, Adrian und Isabelle Stadelmann-Steffen (2008). „Viele Grünschnäbel und immer mehr graue Häupter. Die Wählerinnen und Wähler der Grünen.“, in: Baer, Matthias und Werner Seitz. Die Grünen in der Schweiz. Ihre Politik, ihre Geschichte, ihre Basis. Zürich/Chur: Rüegger Verlag: 59-77.
Ernst Jacob
November 10, 2013
Die Kernbotschaft und ihre Daseinsberechtigung basieren auf dem Waldsterben, dem Atomausstieg, dem Verzicht auf Strassenausbaupläne, der staatlich Lenkung des Individualverkehrs und einigen anderen Vorschlägen, mit denen man die Menschheit dazu zwingen könnte, sich den Vorstellungen grüner Weltverbesserer zu unterwerfen.
Das Waldsterben ist gestorben. Der Atomausstieg ist nur noch eine Frage der Zeit. Der Verzzicht auf neue Strassen bedeutet, dass der Verkehr kollabiert. Und die anderen Pläne, die Grün in Petto hat, zielen darauf ab, die induvudualle Freiheit weiterhin, wo immer möglich, einzuschränken.
Daher kann es auch nur noch eine Frage der Zeit sein, bis sich die Grünen von selbst angeschafft haben, Feinde dazu benötigen sie nicht, ihre eigene Sturheit reicht.